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Mercedes-Benz 450 SEL 6.9

Ein Auto, das 225 km/h fuhr und am Wochenende mehr trank als Sie

Author: auto.pub | Published on: 13.05.2025

Dies war nicht einfach nur ein Auto. Es war eine Epoche auf vier Rädern – entstanden in einer Zeit, in der deutsche Ingenieure nicht fragten: „Dürfen wir?“, sondern vielmehr knurrten: „Warum nicht mehr, und warum nicht sofort?“
1975 erschien der Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 auf der Bildfläche – eine Luxuslimousine so unverhohlen übertrieben, dass andere Fahrzeuge daneben wie Steuerabschreibungen wirkten. Damals raunte man ehrfürchtig, es sei „das beste Auto der Welt“ – und ausnahmsweise war das kein Marketingspruch aus der Feder eines Werbetexters im Stuttgarter Keller. Der Wagen war groß, laut und majestätisch – das Fahrzeug, das Goethe selbst gewählt hätte, hätte er den Dichterfeder gegen Drehmoment eingetauscht.
Und dies war nicht einfach eine S-Klasse. Das war die S-Klasse. Das Flaggschiff. Das Automobil, das Sie nicht nur von A nach B brachte – es hüllte Ihre Seele in Velours, schwebte auf einer hydropneumatischen Federung dahin und katapultierte Sie dann per Gaspedal in die Stratosphäre.
Benannt nach seinem gewaltigen 6.834-cm³-V8, entlieh sich der 6.9 sein Herzstück von der kaiserlichen Mercedes 600 Limousine – ja, genau der, dem Diktatorenmodell. Das Ergebnis?

286 PS,
550 Nm Drehmoment,
0–100 km/h in nur 7,4 Sekunden.

Im Jahr 1975.
Heute nennt man das zügig. Damals war das pure Hexerei. Das war nicht bloß ein Auto – das war eine lederverkleidete ballistische Rakete mit Scheinwerfern.
Im Innenraum traf man auf Klimaanlage, Zentralverriegelung, Tempomat, elektrische Fensterheber, Scheinwerferwaschanlage und Sicherheitsgurte vorne wie hinten – selbstverständlich serienmäßig. Das Interieur war natürlich mit Velours ausgeschlagen. Und nicht nur „etwas“ Velours – sondern mehr, als man zur Eröffnungspremiere in der Berliner Oper findet.
Die Rücksitze erinnerten nicht an eine Sitzbank, sondern eher an ein Abteil der ersten Klasse, gefahren von einem Chauffeur, der gerne schnell fuhr und Kompromisse verachtete.
Mercedes beließ es nicht bei ein paar schicken Federn. Nein. Sie entwickelten eine völlig neue hydropneumatische Federung, die die Fahrhöhe konstant hielt – egal, ob im Kofferraum ein seidengewandeter Vorstandschef oder drei Tonnen Kaviar lagen. Der Komfort war derart absurd, dass man sich fragte, warum Stoßdämpfer überhaupt erfunden wurden.
Der Wagen rollte auf 215er Reifen – ein Luxus, als die meisten noch auf Gummibändern unterwegs waren. Er besaß zwei Auspuffrohre, denn wer einen 6,9-Liter-V8 bewegt, sollte nicht klingen wie ein Nasenhaarrasierer, sondern wie Kriegstrommeln. Und die legendären Fuchs-Alufelgen? Nicht serienmäßig. Die gab es – natürlich – nur gegen Aufpreis.
Eine Legende in limitierter Stückzahl gebautNur 7.380 Exemplare wurden je gefertigt. Heute gelten sie als Maßstab unter den Klassikern, ihre Preise steigen jährlich – wie das Standgas an einem frostigen Morgen. Ein gepflegtes Exemplar? Weit über 80.000 Euro.
Und ja – Mercedes-Benz Classic liefert nach wie vor Ersatzteile. Ein korrektes Lenkgetriebe schlägt mit 3.756 Euro zu Buche, und genau das ist der Punkt:Den 6.9 kauft man nicht, weil man Geld hat.Man kauft ihn, weil man Geschmack hat.