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Mercedes-Benz opens most advanced light testing center in the automotive industry

Mercedes-Benz testet Licht, Metall und Gras: Das weltweit modernste Prüfgelände setzt auf Roboter und Schafe

Autor auto.pub | Veröffentlicht am: 06.10.2025

Die neue Anlage erstreckt sich über 135 Meter Länge und ragt acht Meter in die Höhe – ein Stück ländliches Deutschland, detailgetreu in eine Halle verlegt. Der Asphalt wurde eigens so gemischt, dass er die Reflexionen abgenutzter Straßen exakt nachbildet. Jede Unebenheit ist gewollt, jede Struktur präzise vermessen, damit Mercedes perfekte Testbedingungen durch gezielte Unvollkommenheit schafft. Bis zu fünf Fahrzeuge können gleichzeitig fahren, während Gegenverkehr und Fußgänger – letztere aus Kunststoff – mit verblüffender Genauigkeit simuliert werden.

Mit 10,5 Millionen Euro wirkt die Lichtprüfhalle nach Luxusmaßstäben fast bescheiden, doch sie verkörpert das aktuelle Credo von Mercedes-Benz: Präzision statt Spektakel.

Direkt daneben liegt der Heide-Dauerlaufkurs, ein anspruchsvolles Testareal, auf dem längst keine Menschen mehr fahren. Stattdessen steuern Roboter die Fahrzeuge unermüdlich über Kopfsteinpflaster und Schlaglöcher und legen dabei 6.000 Kilometer zurück – das entspricht 300.000 Kilometern realer Beanspruchung. Anders gesagt: Jede Runde hier zählt wie 150 auf öffentlichen Straßen – und keine davon ist angenehm.

Automatisierung sorgt für einen durchgehenden Betrieb. Es gibt keine Ermüdung, keine Fehler – nur Daten. Maschinen kennen keine Erschöpfung und sind damit ideale Testfahrer für Fahrzeuge, die zunehmend von Algorithmen statt von Intuition entwickelt werden.

Jedes Testmodul in Immendingen ist bis auf den Mikrometer genau kartiert. Jede Bodenwelle, jeder Stein, jede Belastung wird digital in einer virtuellen Zwillingsumgebung abgebildet. So kann Mercedes seine Fahrwerke Hunderttausende von virtuellen Kilometern testen, bevor ein Prototyp überhaupt den Asphalt berührt.

Das Gelände umfasst 520 Hektar mit über 30 spezialisierten Modulen – von Gebirgspässen bis zu Stadtkreuzungen, von amerikanischen Fahrbahnmarkierungen bis zu Nachbildungen japanischer Autobahnen. Es gibt 86 Kilometer Teststrecken, 256 Kreuzungen und Platz für bis zu 400 Fahrzeuge gleichzeitig.

In einigen Bereichen sorgt sogar eine künstliche Sonne – das gleiche Industriestrahlmittel, das auf arktischen Schiffen zur Eisberg-Erkennung dient – für tiefstehendes Licht oder Dämmerung. So wird sichergestellt, dass Sensoren und Scheinwerfer alles erfassen, ohne jemanden zu blenden.

So ungewöhnlich es klingt: Teile der Pflege übernehmen Schaf- und Lamaherden. Die Schafe halten das Gras kurz, die Lamas schützen vor Füchsen. Immendingen verfügt zudem über ausgewiesene Naturschutzzonen, in denen seltene Heuschrecken, Bienen und sogar Schlangen leben – ein Beleg dafür, dass Mercedes-Benz einen „ökologischen Fußabdruck“ vorweisen kann, während jährlich 2,5 Millionen Testkilometer über das Gelände führen.

Nach einem Jahrzehnt und rund 400 Millionen Euro ist Immendingen zum Herzstück der Mercedes-Benz-Forschung geworden. Mit 250 festen Mitarbeitern und über 2.000 Gastingenieuren steht das Areal für eine Zukunft, in der die Straße nicht mehr Ort, sondern Datensatz ist – und in der Schafe für den Fortschritt ebenso wichtig sind wie Silizium und Stahl.